Begleitet wurden die Schüler/innen durch den BDKJ-Leiter N. Schnittger und eine der Klassenlehrerinnen K. Reinstadler. Bereits direkt nach der langen Nachtfahrt startete das Programm nach einem kurzen Frischmachen und Frühstücken mit einer 4-stündigen Stadtführung, bei der wir historische wie zeitgenössische Sehenswürdigkeiten betrachten konnten und viele interessante Informationen über das historische und gegenwärtige Krakau erhielten. Nach einer kurzen Mittagspause waren wir ins deutsche Konsulat eingeladen, wo uns der Generalkonsul Holger Mahnicke persönlich begrüßte und interessante Einblicke in seinen Werdegang und die Aufgaben des Konsulats in Krakau gab. Ein leckeres gemeinsames Abendessen, bei dem auch die Möglichkeit bestand, sich über das Erlebte auszutauschen, beendete das offizielle Programm für diesen Tag.
Am nächsten Tag brachte uns der Bus nach dem Frühstück zur Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau, wo wir eine Studienführung durch das Stammlager Auschwitz I erhielten. Bereits das Betreten des Lagers durch das berühmte Tor mit der Aufschrift „Arbeit macht frei“ ließ uns die Beklemmung der Gefangenen erahnen, als wir an den Schildern mit Totenköpfen, die vor dem berühren des elektrischen Zaunes warnten, vorbeikamen und dabei erfuhren, dass viele Häftlinge in ihm in ihrer Verzweiflung Selbstmord begangen hatten Trotz der vielen Gruppen, die in unterschiedlichen Sprachen durch das Stammlager geschleust wurden, waren die Eindrücke oft überwältigend und brachten uns die verfolgten Menschen dieser Zeit und ihre Schicksale näher. Besonders beeindruckend waren hierbei die Bild- und Toninstallationen, aber auch das fast körperliche Erleben der Straf-Arrestzellen im Keller einer der Blöcke. Besonders erschütternd waren aber die Berge von Habseligkeiten, die den Juden vor ihrer Ermordung abgenommen wurden: Berge von Koffern, Schuhen, Brillen, Kleidung und sogar Haaren, die für die deutsche Wirtschaft nutzbar gemacht werden sollten und die die menschenverachtende Philosophie der Nationalsozialisten spürbar machte.
Die Mittagspause in Oświęcim brauchten wir alle, um diese Eindrücke etwas zu verarbeiten und unseren Geist für die nachmittags stattfindende Stadtführung durch die Altstadt Oświęcims wieder fei zu bekommen, bei der wir außer den Sehenswürdigkeiten der Stadt auch das alltägliche jüdische Leben einiger Familien vor dem Holokaust vorgestellt bekamen. Der Besuch des jüdischen Zentrums und der Chevra Lomdei Mishnayot Synagoge, in der wir über das jüdische religiöse Leben, seine Riten und Regeln informiert wurden, rundeten das heutige Programm ab. Zurück in Krakau entspannten wir uns beim leckeren gemeinsamen Abendessen und anschließend auf unseren Zimmern im Hotel.
Am Mittwochmorgen ging es nach einem ausführlichen Frühstück wieder zur Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau, wo wir uns in zwei Gruppen aufteilten, um im Wechsel zwei besondere Programmpunkte durchzuführen. Zum einen durften wir das nichtöffentliche Kunstarchiv von Auswitz-Birkenau besuchen, wo wir im Rahmen eines Workshops die Funktion und Bedeutung künstlerischer Betätigung im KZ Auschwitz-Birkenau beleuchteten. Dabei bekamen wir sowohl Auftragsarbeiten von Nazi-Personal an einsitzende jüdische Künstler als auch berührende (heimlich angefertigte) Werke jüdischer Künstler während und nach der Gefangenschaft in Auschwitz-Birkenau zu sehen. Von manchen erfuhren wir ihre Entstehungsgeschichte, von manchen waren aber auch keine Hintergründe bekannt, ihre intensive Aussagekraft sprach jedoch für sich selbst. Zum anderen erhielten wir eine beeindruckende Führung durch die Ausstellung „Klisze pamięci – Labirynty“ von Marian Kolodziej im Franziskanerkloster in Harmęźe. Der Franziskaner und Künstler war u.a. Häftling im KZ Auschwitz und erlebte die Gräuel der nationalsozialistischen Vernichtungsmaschinerie am eigenen Leibe. Nach dem Krieg studierte er Bühnengestaltung in Krakau, litt Zeit seines Lebens unter den erlebten Gräueln konnte sich aber bis wenige Jahre vor seinem Tod nicht damit auseinandersetzen. Erst in hohem Alter, bereits durch eine schwere Krankheit gezeichnet, begann er sich mit seinen zum Teil überdimensionalen Zeichnungen mit dem erlebten Leid in den Konzentrationslagern auseinanderzusetzen. Dabei entstanden erschütternde Bilder, die gemäß seinem Wunsch im Keller des Franziskanerklosters in einer Gesamtschau ausgestellt werden. Sie machten in ihrer dreidimensionalen Anordnung für uns Betrachter das unfassbare Leid der Lagerinsassen spürbar, ja fast erfahrbar, so eindrücklich war das Erleben dieser dichten, aussagekräftig gestalteten Bilder. Tief beeindruckt und das Grauen dieser Zeit im Nacken verließen wir diese erschütternde Ausstellung und genossen im Anschluss den passend hervorbrechenden Sonnenschein im daneben angelegten Zen-Garten des Klosters, um einmal durchzuatmen und das Grauen etwas abzuschütteln.
Nach einem kurzen Mittag ging es weiter zum Lager Auschwitz II-Birkenau, wo uns der zweite Teil der Studienführung erwartete. Wir betraten das Lager durch das zum Sinnbild für den nationalsozialistischen Vernichtungsapparat gewordene Backsteinhaus und wurden von den Dimensionen des Vernichtungslagers fast erschlagen. Wir sahen die Rampe mit einem der Güterwagons, an der nach der Ankunft der Züge aus ganz Europa die wie Vieh in den Wagons eingepferchten Juden die Selektion „Arbeitseinsatz“ – „sofortige Vernichtung“ durchgeführt wurde. Die primitiven Holzbaracken, in denen hunderte von Häftlingen unter schrecklichsten Bedingungen hausen mussten, und die Ruinen der von den Nazis noch selbst kurz vor der Befreiung des Lagers zerstörten Gaskammern und Krematorien sowie ein Glaskasten auf freiem Feld, der uns den mit Fundstücken aus dem Leben der Insassen durchsetzten Boden präsentierte, führte uns das Leid der Inhaftierten, aber auch den perfiden Perfektionismus der nationalsozialistischen Tötungsmaschine vor Augen.
Zwischen den Überresten der Krematorien wurde den Opfern von Ausschwitz ein Denkmal und den nachfolgenden Generationen ein Mahnmal in Form von mehrsprachigen Gedenktafeln errichtet: „Dieser Ort sei allezeit ein Aufschrei der Verzweiflung und Mahnung an die Menschheit. Hier ermordeten die Nazis etwa anderthalb Millionen Männer, Frauen und Kinder. Die meisten waren Juden aus verschiedenen Ländern Europas.“ Während wir uns gegen Abend auf den Rückweg zum Tor machten, kamen uns von dort Gruppen von Juden eingehüllt in die israelische Flagge entgegen und unvermittelt fragte man sich, wie sie dies alles wohl empfinden mochten. Zurück in Krakau stärkten wir uns in einem vegetarischen Restaurant mit verschiedenen leckeren Gerichten, bevor wir uns alle zusammenfanden, um nach den beiden letzten seelisch anspruchsvollen Tagen eventuellen Gesprächsbedarf zu bedienen und im Anschluss ein Brainstorming zu potentiellen Fragen an die Zeitzeugin, die wir am nächsten Tag treffen würden, zu machen.
An unserem letzten Tag in Krakau fuhren wir mit der Straßenbahn zum Schindlermuseum, in dem wir eine sehr interessante Führung zu der Zeit der Besetzung Krakaus durch die Nationalsozialisten sowie Oskar Schindler und seiner Fabrik und „Schindlers Liste“ hatten. Nach einem kurzen Mittagsimbiss führte uns eine sehr kompetente Dame am Nachmittag auf den jüdischen Spuren durch Krakau in das ehemalige Ghetto Podgórze. Am Abend kehrten wir zurück ins Schindlermuseum, wo wir mit der Zeitzeugin Niusia Horowitz zusammentrafen, die uns aus ihren Erinnerungen aus der Zeit des Nationalsozialismus und ihrer Zeit in Oskar Schindlers Fabrik erzählte. Sie war das Mädchen, dem Oskar Schindler einen Kuss auf die Wange gab, als seine Fabrikarbeiter ihm vor den Augen der anwesenden Nazi-Größen zum Geburtstag gratulierten. Sie war voller Wärme und Hochachtung, als sie von diesem Mann sprach, der so vielen Juden das Leben gerettet hat. Zum Abschluss dieses jüdisch geprägten Tages durften wir im jüdischen Viertel in einem sehr ansprechenden Lokal typisch jüdische Gerichte probieren, von denen uns insbesondere die Vorspeisen sehr gemundet haben.
Nachdem die Koffer bereits am Abend vorher gepackt wurden, konnten wir am nächsten Tag nach einem frühen Frühstück pünktlich um 7.00 Uhr die Heimreise antreten. Gegen 20.00 Uhr kamen wir alle etwas erschöpft., aber voller Eindrücke in Paderborn an und verabschiedeten uns alle in ein erholsames Wochenende.
Text: K. Reinstadler/Fotos: K. Reinstadler, N. Schnittger
Eine bewegende Fahrt in die politische Vergangenheit Deutschlands – Jg. 10 in Krakau/Auschwitz